Griechenland – Schüsse auf protestierende Arbeiter

endea

(c) endea neos

Am 17. April 2013 wurden in Nea Manolada, einem kleinen Ort im Westen der Halbinsel Peloponnes, 28 migrantische Arbeiter angeschossen. Hintergrund dieser blutigen Tat ist ein Lohnkonflikt. Die rund 200 Arbeiter einer Erdbeerplantage wurden seit 6 Monaten nicht mehr bezahlt. Als sie sich versammelten, um ihre Löhne einzufordern, begannen drei Plantagenaufseher in die Menge zu schießen und verletzten dabei 28 Arbeiter teils schwer. (Folgendes Video wurde unmittelbar nach dem Angriff aufgenommen.)

Der Plantagenbesitzer und die drei Aufseher wurden festgenommen. Einer der Aufseher war bereits in der Vergangenheit in gewalttätige Übergriffe gegen migrantische Arbeiter in der Region involviert. So läuft gegen ihn ein Verfahren, weil er im August 2012 einen Arbeiter aus Ägypten mit dem Kopf in ein Autofenster eingeklemmt und ihn kilometerweit mitgeschliffen hat. Warum dieser Mann nach so einer Tat immer noch auf freien Fuß ist, ist eine der vielen Fragen, die sich nun stellen. Auch einige der Arbeiter wurden kurz nach dem Überfall am 17. April 2013 verhaftet. Der zuständige Minister beteuerte zwar, dass sie nicht „abgeschoben“ werden, es bestehen diesbezüglich jedoch berechtigte Zweifel.

Missstände seit Jahren bekannt

Gewerkschaften, NGOs und kritische JournalistInnen weisen seit Jahren auf die sklaven-ähnlichen Bedingungen hin, unter denen die Erdbeerpflücker in Nea Manolada arbeiten und leben müssen. Die Löhne für einen 10-Stunden-Tag liegen zwischen 20-23 Euro. Davon werden von den Plantagenbesitzern bis zu 10 Euro für Miete, Essen und Schutzgeld abgezogen. Die Arbeiter leben in Plastikhütten und Zelten auf den Plantagen, ohne Strom, fließendem Wasser und sanitären Einrichtungen. Physische und psychische Gewalt stehen auf der Tagesordnung. Die Arbeiter sind zudem, aufgrund des Einsatzen von Düngemitteln und Pestiziden, einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Das alles ist in Griechenland seit Jahren bekannt. Dennoch werden diese mafiösen Strukturen die auf Ausbeutung und Gewalt fußen und der Durchsetzung von Profitinteressen dienen, von Politik und Behörden seit Jahren geduldet.

   nea manolada1 nea manolada3

nea manolada2        nea manolada4
(c)left.gr

Bereits 2008 wurden streikende Arbeiter attackiert, ihre Hütten zerstört und die Wortführer der Proteste der Polizei gemeldet. Ein Großteil der 3.000 Erdbeerpflücker in Nea Manolada kommt aus Bangladesch oder Pakistan. Die meisten haben keine gültigen Aufenthaltspapiere und werden damit von den Plantagenbesitzern erpresst und unter Druck gesetzt. Die Plantagen in Nea Manolada gelten seit langem als „verbotene Zonen“. JournalistInnen, die über die unmenschlichen Bedingungen vorort berichten wollten, wurden verprügelt und erhalten Morddrohungen. Ähnlich ergeht es GewerkschafterInnen, die Kontakt mit den Plantagenarbeitern aufnehmen wollen.

Eskalation rassistischer Gewalt

Die Schüsse auf die Arbeiter in Nea Manolada müssen jedoch auch vor einem breiteren gesellschaftlichen Hintergrund betrachtet werden. Seit Ausbruch der Krise 2008/2009 haben rassistische und rechtsextreme Kräfte in Griechenland einen starken Aufschwung erlebt. Die neonazistische Partei „Chrysi Avgi“ sitzt seit 2012 mit beinahe 7% im Parlament und übt auf den Straßen Gewalt und Terror aus. Besonders fatal ist, dass die griechische Regierung dieser Radikalisierung nichts entgegensetzt, sondern die rassistische und gewaltbereite Stimmung gegen MigrantInnen zusätzlich anheizt. Pünktlich mit der Ankündigung von neuen Einschnitten im Sozial- und Gesundheitsbereich startete die Regierung im Sommer 2012 die Operation „Xenios Zeus“. Landesweit machten Hundertschaften von PolizistInnen Jagd auf MigrantInnen. NGOs berichteten von tausenden Verhaftungen und Abschiebungen sowie zahlreichen gewalttätigen Übergriffen.

Jene drei Aufseher, die auf die Arbeiter geschossen haben, sitzen in Haft; ebenso der Plantagenbesitzer, der wohl den Auftrag für den Anschlag gegeben hat. Inwieweit die griechische Justiz nun entschlossen gegen sie vorgeht, und damit auch ein Exempel statuiert, bleibt abzuwarten. Die Frage, die sich jedoch noch viel mehr stellt, ist unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen solche Taten entstehen.

Weitere Informationen:

  • Themenseite von Labournet Germany mit vielen Infos und Hintergrundberichten.
  • Eine von der EU-Kommission in Auftrag gegeben Studie unter dem Titel „Trafficking for Labour in Greece“ aus dem Jahr 2011, geht unter anderem auch auf die Situation in Nea Manolada ein.
  • Bericht von Niels Muižnieks, Menschenrechtskommisar des Europarates, über die Menschenrechtslage in Griechenland (2013)
  • Video von Leftvision (mit deutschen Untertiteln) über die Situation von MigrantInnen in Griechenland
  • Video des Guardian (in Englisch) über den Aufstieg der Nazipartei „Chrysi Avgi“ (Goldende Morgenröte)